Ein Samstag-Vormittag in der großen Fahrzeughalle des THW Ortsverbandes (OV) Mannheim. Ein Parkplatz ist frei, der blaue Mannschaftstransportwagen, der dort sonst steht, wurde herausgefahren. Biertische stehen nun dort, auf diesen befinden sich Stifte, Papier, Verbandmaterial und allerlei Krimskrams.
Zwölf Kinder, drei Betreuerinnen und ein Betreuer wuseln herum. Das ist ein Minidienst. Heute wurde aus Schrauben, Flügelmuttern und Unterlegscheiben ein Metallmännchen gebaut. Ein Betreuer hatte sich eine künstliche Wunde am Finger zugefügt - realitätsnah mit Erdbeermarmelade als Blutersatz. Die Kinder schnippelten aus Pflastern einen Fingerverband. Dabei trugen sie medizinische Handschuhe, die sie anschließend so ausziehen mussten, dass sie die verschmutzte Außenseite nicht berührten. Wegen der Infektionsgefahr.
2014 wurde die Minigruppe in Mannheim gegründet. Die Idee dazu hatte unter anderem Nicole Dudziak, die Ortsbeauftragte des OVs. Die Jugendgruppe für die zehn bis siebzehnjährigen gibt es schon länger. Es entstand der Bedarf, auch jüngere Kinder, also die Sechs- bis Neunjährigen, betreuen zu können. Nicole Dudziak dazu: "Es ist nie schön, wenn man der kleinere Schwester sagen muss, du musst jetzt noch vier Jahre warten, bis du zehn bist. Mit einer Minigruppe ab sechs Jahren kann sie sofort anfangen.".
Ein Minidienst ist spielerisch und mit eineinhalb Stunden Dauer deutlich kürzer, als ein Jugenddienst. Aktuell sind 16 Kinder in der Minigruppe, sechs Mädchen und zehn Jungs. Nach Erreichen des zehnten Lebensjahrs, müssen die Kinder die Minigruppe verlassen. In Mannheim wechseln die meisten Kinder in die Jugendgruppe und bleiben so dem OV Mannheim erhalten.
Christina Lautensack von Landesverband Baden-Württemberg erzählt, wie es zur Gründung der Minigruppe im THW kam. 2003 wurde ein Projekt "Minigruppe" gegründet, 2004 dann die erste offizielle Minigruppe. Die Einführung einer Minigruppe im THW hatte mehrere Gründe: zum einen sollte es eine Möglichkeit für aktive THW-Helfende geben, ihre Kinder betreuen zu können. Zum andern möchte das THW frühzeitig junge Menschen begeistern, um auch zukünftig über genügend ehrenamtliche Einsatzkräfte für den Katastrophen- und Zivilschutz verfügen zu können.
Heute, also 2022, gibt es über 2.200 Kinder und Jugendliche zwischen sechs und siebzehn Jahren im THW in Baden-Württemberg. Davon knapp 280 Kinder im Alter zwischen sechs und neun, also die Minis. Diese 280 Kinder verteilen sich im Land Baden-Württemberg auf 32 Minigruppen, eine davon in Mannheim.
"Die Vielfalt der Einsätze und die Möglichkeit zu lernen, dass wir als Gesellschaft nur zusammen funktionieren können, waren für mich die Gründe mit meiner Tochter ins THW zu kommen.", so ein Vater einer neunjährigen Mini.
Der Vater eines zehnjährigen Jungen ergänzt: "Ich habe gehofft, dass er technisch etwas lernt. Aber auch die körperliche Bewegung und die handwerklichen Tätigkeiten sind Gründe für mich."
Katja, eine der Betreuerinnen in der Minigruppe ist Truppführerin in der Fachgruppe Räumen. Sie wurde auf dem Mannheimer Maimarkt aufmerksam auf das THW und war sofort fasziniert von den Tätigkeiten. Sie erklärt: "Der Betreuungsaufwand der Minis ist natürlich viel höher, als in der Jugend.".
Faszinierend findet Katja, wie gut sich die verschiedenen Kinder-Charakter integrieren. Auch die leisen, stillen Kinder werden - mit ein bisschen Hilfe durch die Betreuenden, in der Gruppe aufgenommen und haben Spaß in den Diensten.
Auch in der Zusammensetzung der Gruppe zeigt sich, dass das THW kein reiner Männerverein ist. In Deutschland sind 2022 rund 13.000 Frauen im THW. Das entspricht rund 16,5% der Helfenden. In Mannheim sind deutlich mehr Frauen aktiv, nämlich rund 30%.
Auch in der Minigruppe ist ein hoher Anteil Mädchen zu finden: Sechs der aktuell Sechzehn Kinder sind Mädchen. In der Technikaffinität gibt es keinen Unterschied zwischen den Jungs und Mädels. Ganz im Gegenteil:
"Wir haben Mädchen, die würden ein Haus abreißen, wenn sie es schon könnten. Unsere Jungs sind eher zurückhaltender und vorsichtiger, was den Umgang mit Technik an geht.", erzählt Katja schmunzelnd.
Um Betreuerin oder Betreuer in der Mannheimer Minigruppe werden zu können, muss jeder Interessent ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen. Auch die Grundausbildung im THW ist Pflicht. Dabei lernen die Helfenden Erste-Hilfe-Maßnahmen. Im THW werden Fortbildungen für Kinde- und Jugendbetreuer angeboten.
Überhaupt wird das Thema Kindeswohl im THW sehr ernst genommen. Auf den Webseiten der THW-Jugend gibt es ein Kinderschutzkonzept und zahlreiche Materialen, Handlungsleitfäden usw. zu diesem Thema zu finden.
In Mannheim wird der Schutz der Kinder ganz pragmatisch gelebt: es sind immer mindestens zwei Betreuende bei den Kindern.
"Wir arbeiten immer im Team vor Ort. Allein schon aus dem Grund, dass sich ein Kind mal verletzt. Dann kann sich eine Person um das verletzte Kind kümmern und die andere um die anderen Kinder.", erklärt Nicole Dudziak das Vorgehen in Mannheim.
Auch der Umgang mit dem Thema ist in Mannheim sehr offen. Betreuende, Eltern und auch in der Jugend wird das Thema angesprochen. Ziel dabei ist es potentielle Täter durch den offenen Umgang abzuschrecken.
Dass dies funktioniert, bestätigt Jutta Zäpfel von der Landesjugend Baden-Württemberg, die die Kindeswohlreferentin im Land ist: "Die beste Präventionsarbeit im Ortsverband selber ist der offene Umgang mit dem Tabu Kindeswohl.".
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